Darstellung Christi als Geometer. Miniatur aus einer französischen Bible moralisée, 13. Jahrhundert
(https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/4d/God_the_Geometer.jpg/1200px-God_the_Geometer.jpg, frei)
Vom magischen Denken zum handelnden Gott
Handelt Gott in der Welt, greift Gott in das Weltgeschehen und in das Leben des einzelnen Menschen ein? – Diese Fragen haben eine lange Vorgeschichte, die in einer langen Epoche des magischen Denkens und Weltbildes beginnt (ein Denken, das heute noch in animistischen Kulturen und rudimentär sogar in westlich-aufgeklärten Gesellschaften zu finden ist). Die Menschen glauben noch nicht an Götter, sie erleben aber, dass vieles, was geschieht, nicht durch sie selber bewirkt wird, sondern durch verborgene Kräfte und Mächte. Die Menschen fragen sich, was sie tun oder lassen sollen, damit diese verborgenen Kräfte und Mächte ihnen wohlgesonnen sind. Diese frühe Stufe ist geprägt von der Annahme einer jenseitigen Wirklichkeit, die sich auf die Menschen auswirkt.
In einer weiteren Phase wird die magische Weltsicht durch kritisches Reflektieren in Frage gestellt, eine Entwicklung, die in den entstehenden Hochreligionen fortgesetzt wird. Zunächst ist es die Vorstellung, dass die Welt von einer verborgenen Ordnung bestimmt wird, von einer kosmischen Ordnung, in der ein Gott noch keinen Platz hat. In der östlichen Welt ist es die Vorstellung von einem ewigen Kreislauf, der eigenen Gesetzen folgt und in den die Menschen hineinverwoben sind. Der Buddhismus hegt die Illusion, Geschichte, Welt, Materie und Stoff zu überwinden. Bei den Griechen ist es die Vorstellung einer Welt mit verschiedenen Sphären. Der Mensch ist an die Materie gebunden, hat aber eine Ahnung und einen Anteil an einer immateriellen Welt, die eines Tages überwunden wird. Jetzt ist der Mensch noch im Gefängnis des Materiellen.
Eine dritte Epoche wird mit dem alttestamentlichen Jahwe-Glauben eingeleitet, demzufolge Gott ein in der Geschichte dieser Welt handelnder Gott ist. Dieser Glaube wird von der Überzeugung getragen, dass Gott die Juden als sein Volk auserwählt hat, indem er es aus der Versklavung in Ägypten befreit hat und vor der Auslöschung bewahrt hat (Dtn 26, 5-9). Gott ist ein Gott, der mit den Menschen durch die Zeit wandert, so dem Einzelnen Trost und Hilfe ist, und auch das Volk als Ganzes durch die Geschichte leitet. Das Volk Israel steht unter der Schutzherrschaft dieses Gottes. Vgl. Ps 46. Dieser Erwählungsglaube gerät in Israel selbst im 6. Jahrhundert v. Chr. in die Krise. Denn es ist offensichtlich, dass die Assyrer, die Babylonier und die Perser das Sagen haben und Israel nur ein kleiner Spielball ist. Diese Krise ist ähnlich heftig wie die neuzeitliche Krise des Gottes-Glaubens.
Das Abendland reagiert auf die jüdische Krise mit zwei gegensätzlichen Deutungen. Eine erste ist eine apokalyptische Sichtweise, derzufolge sich die Welt in Richtung Verfall, Unheil und Untergang entwickelt und Gott am Ende rettend eingreift. Die zweite Deutung (vom 5. Jahrhundert n. Chr. bis zum Deutschen Idealismus) beantwortet die Frage nach dem Wirken Gottes in der Welt mit großen übergreifenden Geschichtsentwürfen, in die alles eingeordnet werden soll, was im Laufe der Geschichte passiert (Augustinus; Georg Wilhelm Friedrich Hegel).
Heute, nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts, sind beide Deutungen passé. Niemand kann Gottes Handeln im Rahmen eines großen Entwicklungsgedankens darstellen noch Gott aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen rechtfertigen. Mit der Frage nach dem Wirken Gottes in der Welt steht und fällt aber der Glaube. Gott als handelndes Subjekt in der Geschichte ist objektiv nicht feststellbar, wie auch jegliches Transzendenz-Wissen prinzipiell nicht möglich ist. Gott kann nicht „gewusst“ werden. In unserer (immanenten) Welt gibt es Methoden und Regeln der Erkenntnis. Eine andere, transzendente Welt, kann logischerweise nicht mit diesen Regeln und Methoden erkannt werden. Transzendenz-Wissen ist prinzipiell nicht möglich.
Gott wirkt nur mit dem Menschen
Für viele Menschen ist das das Ende des Gottesglaubens. Für andere Menschen ist es der Anfang einer anderen Art von Glauben, in dem das Handeln Gottes nur in Verknüpfung mit dem menschlichen Handeln gedacht werden kann. Gott wirkt nicht ohne den Menschen in der Welt. Er versucht den Menschen zu gewinnen, verlockt ihn zum richtigen Handeln, respektiert aber die menschliche Freiheit. Philosophischer und theologischer ausgedrückt ermöglicht Gott das Handeln der Geschöpfe. Gottes Handeln beruht auf Kommunikation/Interaktion mit dem Menschen. Wieder einfacher gesagt: Gott handelt über die Herzen der Menschen. So spricht Gott in Hesekiel 11, 19 ja auch davon, das Herz aus Stein durch ein Herz aus Fleisch zu ersetzen.
Die Bibel ist voll von „Einladungen“ Gottes an die Menschen. Gott möchte die Menschen immer wieder auf Wege des Heiles bringen. Der Bogen der Bemühungen Gottes (Heilsgeschichte) spannt sich von der Schöpfung bis zur Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Daneben gibt die Bibel auch Zeugnis von einer Unheilsgeschichte, beginnend mit dem Brudermord.
Diese Art von Gottesglauben entspricht dem neuzeitlichen Denken vom Menschen, weil er die Freiheit des Menschen respektiert und ernst nimmt sowie die menschliche Verantwortung einfordert.
Für das Gebet hat dieses Glaubensverständnis zur Folge, dass es nicht darum geht, Gottes Willen zu verändern, sondern die eigene Weltwahrnehmung und Weltsensibilität, und Gottes Hilfe dabei. Augustinus bezeichnet Gebet als „Selbstermahnung“. Wenn Gebet Menschen verändert, verändert es auch die Welt. Der Glaube, dass Gott die Welt durchdringt, wird umgesetzt, wenn der Mensch sich von Gott erfassen, durchdringen und verändern lässt.
Quellen:
https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/699.html
https://christenheit.wordpress.com/2014/08/25/wie-handelt-gott-in-der-welt/
http://www.vorlaender-lebensweise.de/wp-content/uploads/2015/10/Wie-handelt-Gott-in-der-Welt.pdf